ein Netzwerk über die Stadt spannen – Artline (2024)

Michel Auder, Michael Stickrod in Kollaboration mit Julius Martin-Humpert, Maristella Witt, Ilja Zaharov und Franziska Rist, May '68 in '78, 2019, 2021, Ausstellungsansicht Kommunales Kino, Foto: Marc Doradzillo

Review > Freiburg > BfF#1 – Biennale für Freiburg

1. Oktober 2021

Text: Martha Martin-Humpert

www.biennalefuerfreiburg.de

2. Oktober 2021, 14.00 Uhr Spaziergang durch die Ausstellung, Führung mit Marie Klauder durch die Ausstellungsorte Kunstverein und Kaiserwache, Treffpunkt: Kunstverein, Dreisamstr. 21, Freiburg.
Dauer: ca. 1 Stunde.

3. Oktober 2021, 12.00 UhrFahrradtour mit dem künstlerischen Leiter Leon Hösl
Treffpunkt: DELPHI_space, Emmendingerstr. 21, Freiburg.
Dauer: ca. 2 Stunden.

3. Oktober 2021, ab 11.40 Uhr, Parallel zur Führung Kinder- und Jugendprogramm
Freundschaftsbänder knüpfen mit Kindern und Jugendlichen im BfF-Besuchszentrum, Münsterplatz 6, Freiburg
Dauer: ca. 2 Stunden.

3. Oktober 2021, 15.30 Uhr Parcourswalk „Flexen und Fragen“: Wem gehört die Stadt?mit Dorothee Annette Kreuzer und Leon Hösl
Treffpunkt: Pförtnerhaus, Fabrikstr. (Brauerei Ganter)
Dauer: ca. 2 Stunden.

3. Oktober 202, ab 18.00 Ausklang der BfF#1
BfF-Besuchszentrum am Münsterplatz 6, Freiburg.

Der Ausstellungsparcours ist Donnerstag 12.00 bis 20.00 Uhr und Freitag bis Sonntag 12.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.

Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21, Freiburg.
Dienstag bis Sonntag 12.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 12.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 24. Oktober 2021.

Kaiserwache, Foto: Marc Doradzillo

Thomas Geiger, Bust Talk – Illumina, 2021, Szenografie: Diane Hillebrand, Installationsansicht Kunstverein Freiburg, Biennale für Freiburg #1, 2021, Foto: Marc Doradzillo

Luiza Margan, Monument in the Making: Rosa Luxemburg, 2021, Foto: Jennifer Rohrbacher

Luiza Margan, Monument in the Making: Rosa Luxemburg, 2021, Foto: Jennifer Rohrbacher

Die erste Biennale für Freiburg endet demnächst. Es ist also an der Zeit für eine abschließende Reflexion über diesen Auftakt. Angetreten war das Team um Kurator Leon Hösl mit dem Ziel, eine Lücke zu schließen und Brüche aufzudecken: Denn durch die Schließung der Freiburger Außenstelle der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe waren vor einigen Jahren plötzlich künstlerische Positionen weggebrochen, unsichtbar geworden. Die Biennale wollte bewusst darauf reagieren und Orte schaffen, an denen der Frage nachgegangen werden kann, wie künstlerische Prozesse überhaupt funktionieren. Die Stadt als Studio, so die Vision. Ein über die Fläche gespanntes Netzwerk von Experimenten, Prozessen und Austausch. Auf das von Mai bis Juli vorangegangene Studioprogramm mit Workshops, Veranstaltungen und Symposien folgte im September der Ausstellungsparcours an acht Orten in verschiedenen Freiburger Stadtteilen.

Die hier gezeigten Arbeiten sind teils Ergebnis der Gespräche und Reflexionen im Sommer, teils lokale künstlerische Antworten darauf. Wie zum Beispiel im Kommunalen Kino. Hier trifft eine Videoarbeit von Michel Auder und Michael Stickrod zum Mai 68 in Paris und seiner Rezeption zehn Jahre später auf eine skulpturale Installationskomposition junger Kunstschaffender aus Freiburg. Mit ihren Werken befragen sie das vorgelegte Bildmaterial, aus medialer Vorlage wird Stoffliches: Gipskissen, Wachskanister, ein Offsetdruck. Die gedankliche Umwälzung des Vorgefundenen, die Neuzuschreibung durch das „Darübernachdenken“ scheint sich wie ein roter Faden durch alle Ausstellungsräume zu ziehen.

Im Kunstverein Freiburg zeigt sich das vor allem an der Beobachtung des Stadtraumes, der sich auf ganz unterschiedliche Weise angeeignet wird. Andreas von Ow durchstreift das Gelände auf der Suche nach grünen Glassplittern, die er anschließend mahlt und Schicht um Schicht auf Glasplatten aufträgt, von transparentem bis zu dichtem Flaschengrün. Auch Patrizia Bach wandert durch die Stadt, genauer gesagt durch Istanbul. Sie dokumentiert ihre Wege, ist auf der Suche nach den Momenten und Orten, an denen sich Architektur, Namensgebungen und Strukturen im Verlauf der Geschichte verändern. Welchen Einfluss haben politische Systeme auf das Verständnis unserer Umwelt, in der wir uns beständig bewegen? Für Rahima Gambo ist freies Unterwegssein vor allem eine Möglichkeit, wieder mit der Stadt in Verbindung zu treten, sich selbst an die Orte zu tragen, die Erinnerungen wachrufen oder historische Momente vereinen. So beispielsweise der Freiburger Stadtgarten: Rosa Luxemburg hielt dort 1914 eine Rede, um auf den drohenden Ersten Weltkrieg hinzuweisen. Da bis heute eine Gedenktafel fehlt, hat die Künstlerin Luiza Margan in ihrer Aktion „Monument in the Making: Rosa Luxemburg“ zum kollektiven Binden eines Lorbeerkranzes eingeladen. Gemeinsam mit Aktivisten und Passanten am Fuße der Siegesgöttin am Europaplatz hergestellt, wird so aus dem eigentlich kriegerischen Kranz ein Symbol des Friedens, die Stadt wird um ein temporäres, pazifistisches Element erweitert. Eine Aufforderung zur aktiven Auseinandersetzung mit der Erinnerung.

Auch hier regt die Biennale an, das Vorgefundene zu hinterfragen, Schicht um Schicht abzutragen, was wirklich hinter den Überresten steckt, die uns im Stadtbild begegnen. Seien es nun vermeintlicher Müll, Statuen oder architektonische Hinterlassenschaften. Diese Transformation beobachten wir auch am ehemaligen Toilettenhäuschen an der Kaiserwache. Das Innere des kleinen urbanen Raumes wird zur Leinwand für die Videoarbeit von Niklas Goldbach „Album (Cut together – cutting through)“. In dem fortlaufenden Projekt reiht er in chronologischer Abfolge Fotografien seines Alltags aneinander. Im Schnelldurchlauf begleitet man in angedeuteter Stopp-Motion-Technik so ein Leben, von dem am Ende schemenhafte Eindrücke bleiben, von denen sich nun einzelne in die Netzhaut eingebrannt haben. Eine Vielfalt von unterschiedlichen Sichtweisen, das ist auch, was von der Biennale bleibt. Das Konzept ist in seiner Diversität auf jeden Fall ein Gewinn für die regionale Kunstszene und in seiner Öffnung für internationale Künstler und ihre Fragen an Freiburg eine Neuausrichtung. Man darf daher gespannt sein, was in zwei Jahren passiert, wenn es wieder Zeit ist für BfF, Runde zwei.

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Author: Zonia Mosciski DO

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